Warum Strafen im Hundetraining schaden

Sprühhalsbänder, Wurfketten, Wasserpistolen, Discs, Schüttelboxen, Sprays in allen möglichen Geruchsrichtungen, die die Hundenase reizen, Anti-Bell-Halsbänder, Strom- und Ultraschall-Halsbänder: Sie alle fallen unter Strafmaßnahmen, die Menschen noch immer zur Hundeerziehung einsetzen. Positive Strafe nennt man das: Man fügt dem Hund einen unangenehmen Reiz zu (im Gegenteil zur negativen Strafe, bei der man dem Hund etwas Angenehmes entzieht). Dadurch soll er merken, dass das Verhalten, das er gerade zeigt, unerwünscht ist. Das Ziel: Dieses Verhalten soll in Zukunft nicht mehr gezeigt werden. Diese Trainingsmethoden sind nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern kontraproduktiv, schädlich und zum Teil sogar gefährlich.

 

Warum aversive Strafen schaden

 

Hersteller von Anti-Bell- und Sprüh-Halsbändern nennen die Reizwirkung auf den Hund gerne "harmlos". Das ist leider nicht der Fall. Um zu verstehen, weshalb solche Trainingsmethoden alles andere als harmlos sind, muss man sich genauer ansehen, wie Hunde eigentlich lernen.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Hunde, die Angst oder Schmerzen haben, sich erschrecken oder unter Stress stehen, nicht lernen können. Durch die Ausschüttung von Stresshormonen kommt es zu einer Blockade im Gehirn, die dafür sorgt, dass der Hund Gelerntes nicht korrekt abrufen und nichts Neues hinzulernen kann. Setze ich also Sprühstöße, Leinenruck oder Schreckmittel wie mit Steinen gefüllte Wurfboxen im Training ein, kann ein Hund gar nicht nachhaltig lernen.
Und selbst wenn er verstünde, dass wir ein bestimmtes Verhalten nicht dulden, weiß er noch längst nicht, was er stattdessen tun soll. Ein Beispiel: Ich möchte nicht, dass mein Hund immer auf Menschen zurennt und sie anspringt. Also lege ich ihm ein Halsband an, das mit Fernsteuerung einen Sprühstoß abgibt. Immer, wenn der Hund nun auf eine Person zurennt, betätige ich den Knopf, der Hund bricht sein Verhalten ab, weil er sich erschrickt. Das Problem ist nun erstens, dass der Hund nichts lernt. Würde ich das Halsband nicht anlegen, würde er nach wie vor auf Menschen zurennen. Zweitens lernt der Hund nicht, wie er sich korrekt verhalten soll. Er bekommt kein Alternativverhalten beigebracht. Und drittens, und das ist das wirklich Tragische: Der Hund kann auf diese Weise Angst, Ablehnung bis hin zu aggressiven Verhaltensweisen gegenüber fremden Menschen entwickeln.

 

Assoziatives Lernen

 

Hunde lernen assoziativ. Machen Sie eine unangenehme oder schmerzhafte Erfahrung, verknüpfen sie es mit dem, was sie gerade sehen oder wahrnehmen. Das bedeutet in unserem Beispiel: Der Hund sieht einen fremden Menschen, bekommt einen Sprühstoß und verknüpft diese unangenehme Erfahrung mit dem Menschen. So können Ängste bis hin zu Abwehraggressionen entstehen. Dasselbe gilt für andere Hunde, Kinder, aber auch unbelebte Gegenstände wie Autos. Je nachdem, worauf der Hund im Moment der Strafe seine Aufmerksamkeit richtet, kann der Strafreiz entsprechend verknüpft werden.

So kann es auch passieren, dass der Hund eine Strafe mit seinem Herrchen oder Frauchen verbindet, etwa wenn er mit einer Wasserpistole erschreckt wird. Keine gute Basis für eine vertrauensvolle Mensch-Hund-Beziehung.

 

Russisch Roulette

 

Anonyme Strafen per Fernbedienung oder Geräuschauslöser wie Anti-Bell-Halsbänder verknüpft der Hund zwar nicht mit seinem Besitzer, dafür aber mit allem anderen. Ist der Hund allein zuhause und bellt, bekommt er einen Sprühstoß. Die Sensoren reagieren empfindlich auf Geräusche - also kann es auch zum Sprühstoß kommen, wenn draußen Kinder schreien, ein anderer Hund bellt oder der Nachbar einen Nagel in die Wand hämmert. Fehlverknüpfungen, Stress, Ruhelosigkeit, Angststörungen bis hin zu Panikattacken können die Folge sein. Das ist Russisch Roulette mit der Hundegesundheit.

 

Strafe im Hundetraining: Theorie und Praxis

 

Es gibt noch weitere Probleme mit aversiven Trainingsmethoden. Eine Strafe soll ja das Auftreten eines bestimmten Verhaltens verhindern. Das funktioniert selbst in der Theorie nur dann, wenn

a) die Motivation zur Vermeidung der Strafe höher ist, als die Motivation, das Verhalten auszuführen (Intensität)

b) die Strafe immer, ohne Ausnahme, erfolgt, wenn der Hund das unerwünschte Verhalten zeigt (Kontinuität) und wenn

c) die Strafe zeitgleich oder maximal 1 Sekunde nach dem Verhalten erfolgt (Zeitfaktor).

 

In der Praxis scheitert man bereits beim ersten Punkt. Denn viele unerwünschte Verhaltensweisen, etwa jagen, sind genetisch festgelegt und extrem selbstbelohnend. Die Motivation zu jagen ist sehr, sehr stark. Entsprechend stark müsste ein Strafreiz sein, und selbst dann ist der Erfolg zweifelhaft. Man müsste also bereit sein, die Intensität der Strafe immer weiter zu erhöhen, wenn ein Hund sich von einem Verhalten nicht abbringen lässt. Eine grässliche Vorstellung.

Auch wird man es nicht schaffen, das Verhalten immer ausnahmslos zu bestrafen, denn Sie sind nicht immer da und bekommen es manchmal vielleicht gar nicht mit. Die Bestrafung immer innerhalb des entsprechenden Zeitfensters zu geben, ist ebenfalls eine Illusion. Erfolgt die Strafe zu spät, ist sie wirkungslos und unter Umständen sogar schädlich.

 

Positive Verstärkung

 

Ich arbeite in meiner Hundeschule überwiegend auf Basis positiver Verstärkung. Das bedeutet, dass erwünschtes Verhalten bestärkt wird, etwa durch Leckerlis, Spielzeug, Aufmerksamkeit oder was der Hund eben gerne mag (primäre Verstärker). Das Prinzip ist denkbar einfach: Hunde zeigen Verhalten, das sich für sie lohnt. Belohnen (verstärken) wir bestimmte Verhaltensweisen, werden diese öfter gezeigt werden.

Das heißt nicht, dass ich ausschließlich nur positiv verstärke. Ignorieren von unerwünschten Verhaltensweisen beispielsweise ist eine negative Strafe: Dem Hund wird etwas, das er gern haben möchte, nämlich Aufmerksamkeit, entzogen. Beispiel: Ich möchte nicht, dass mich mein Hund bei der Begrüßung anspringt. Also ignoriere ich das Anspringen, indem ich mich wegdrehe, den Hund weder ansehe, noch anspreche und schon gar nicht streichle. Ist er mit allen vier Pfoten am Boden und hat sich etwas beruhigt, bekommt er eine Belohnung, indem ich ihm meine Aufmerksamkeit schenke und ihn lobe. So folgt auf die Frustration unmittelbar ein positives Feedback und der Hund lernt ein adäquates Alternativverhalten. Noch schöner ist es natürlich, das Springen gänzlich zu vermeiden, indem man sich dem Hund schnell genug widmet, solange er noch alle vier Pfoten auf dem Boden hat. So sind alle glücklich. Ganz ohne schütteln, sprühen, ängstigen.

 

Keine Kuschelpädagogik

 

Hundetraining auf Basis positiver Verstärkung und ohne aversive Reize und Strafen ist keine esoterische Kuschelpädagogik. Sie orientiert sich an harten wissenschaftlichen Fakten, wie Hunde am effektivsten lernen und eine vertrauensvolle Bindung zu ihrem Besitzer aufbauen. Das ist Lerntheorie, nicht mehr, und nicht weniger. Ganz abgesehen davon ist es laut Tierschutzgesetz verboten, "ein Tier zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind".  Hundetrainer sollten über das nötige Wissen verfügen, wie Hunde am besten und nachhaltigsten lernen, und sich laufend fortbilden.

 

Menschenverstand einschalten!

 

Oftmals ist es hilfreich, auf sein Bauchgefühl und den gesunden Menschenverstand zu hören. Schreien und zetern bringt überhaupt nichts, außer Stress bei Mensch und Tier. Viele Trainer propagieren noch immer, dem Hund die Leine nachzuwerfen, wenn er nicht folgt. Mal ehrlich: Glauben Sie, das würde einen Hund animieren, sich einem zuzuwenden? Überhaupt: Generiert sich ein Hundetrainer wie ein Guru, der Hunde (und nicht selten auch Kunden) in Alphatier-Manier begegnet und mit Strafe, Erschrecken und Gebrüll arbeitet, sollten sämtliche Alarmglocken bei Ihnen schrillen. Hundetraining soll Spaß machen. Mensch und Hund sollen als Team zusammenwachsen, Angst und Schrecken haben hier keinen Platz.

 

Inhaberin: Isabel Boergen ♥ Hundetrainerin

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