Der Geschirrgriff beim Hund: Notfallsignal bei unerwünschtem Verhalten

Der Geschirrgriff ist ein sinnvolles Tool im Hundetraining, wenn ein Hund in aufregenden Situationen nicht mehr ansprechbar ist und ein Zurückhalten des Hundes notwendig ist. Außerdem kann er notwendig sein, um den Hund zu halten bevor er nach vorne gehen kann - etwa wenn Radfahrer, Jogger, Autos oder andere Hunde den Weg kreuzen. Damit dieses Notfallsignal für den Hund nicht unangenehm ist oder zusätzlichen Stress in die Situation bringt, ist ein guter Trainingsaufbau notwendig.

 

Was ist der Geschirrgriff beim Hund?

 

Beim Geschirrgriff greift der Mensch nach entsprechender Ankündigung ("Stop!", "Geschirr!") ins Geschirr des Hundes und fragt danach ein Alternativverhalten ab. Wenn der Hund beispielsweise bei anderen Hunden in die Leine springt, kann man ihn durch den Geschirrgriff davon abhalten und ein alternatives Verhalten wie das Abwenden vom anderen Hund, einen Handtouch oder ein Sitz trainieren.

 

Der Geschirrgriff ist ein sinnvolles Notfallsignal für Situationen, in denen ein Hund (noch) überfordert ist und (noch) kein sicheres Alternativverhalten zeigen kann. Dies ist häufig der Fall, wenn eine Situation sehr aufregend für den Hund ist.

Wann setzt man den Geschirrgriff ein?

Der Geschirrgriff beim Hund soll unerwünschtes Verhalten unterbrechen oder verhindern. In folgenden Situationen kann der Geschirrgriff hilfreich sein:

  • Der Hund springt Menschen an und ist im Training noch nicht so weit, dass er auch plötzlich auftauchende Menschen oder andere Einzelsituationen meistern kann.
  • Der Hund reagiert aversiv oder sehr aufgeregt auf andere Hunde und kann bei Distanzunterschreitung nicht ruhig bleiben und springt in die Leine.
  • Der Hund buddelt exzessiv.
  • Der Hund kann sich aus einer bestimmten Situation nicht lösen.
  • Der Hund ist nicht mehr ansprechbar und kann keine Signale mehr wahrnehmen. 
  • Der Hund soll davon abgehalten werden, unerwünschtes Verhalten zu zeigen (Joggern nachlaufen, Autos jagen, etc).

Wieso muss man den Geschirrgriff vorher trainieren?

Ganz einfach: Packt man den Hund ohne Vorwarnung am Geschirr und zieht daran, kann es je nach Hund und Situation zu unschönen Szenen kommen. Ist ein Hund ohnehin bereits gestresst oder sehr aufgeregt, kann eine plötzliche Berührung am Körper zu rückwärtsgerichtetem Abwehrverhalten führen. Mit anderen Worten: Der Hund könnte nach der Hand schnappen.

Selbst, wenn er nicht mit Abwehrverhalten reagiert, kann der Hund sich erschrecken. So entsteht zusätzlicher Stress. Außerdem könnte der Hund den unangenehmen Reiz negativ mit der Halter*in verknüpfen.

Da wir den Geschirrgriff hauptsächlich in Situationen brauchen, in denen der Hund sehr aufgeregt oder aufgrund des erhöhten Stresslevels nicht mehr ansprechbar ist, sollte er niemals angewendet werden, ohne ihn vorher positiv zu trainieren.

 

Trainingsaufbau: Wie trainiert man den Geschirrgriff?

Wortsignal wählen

Im ersten Schritt überlegt man sich ein Wortsignal, das den Geschirrgriff vorher ankündigt. Wählt ein Wort aus, das Ihr sonst nicht verwendet und das Euch auch in Stresssituationen schnell über die Lippen kommt. Beispiele: Stop, Hey, Geschirr, Achtung, etc.

 

Erster Trainingsschritt: Schnelle Annährung der Hand üben

Gerade für sensible Hunde oder Hunde aus dem Tierschutz muss zunächst einmal die schnelle Annährung der Hand an den Rücken geübt werden. Da man sich ausserhalb oder nur am Rand des Sichtfeldes des Hundes befindet, ist dies wirklich wichtig, damit der Hund sich nicht erschrickt und weiß, was nach der Ankündigung erfolgt.

  • Stellt Euch seitlich neben Euren Hund.
  • Gebt Euer Geschirrgriffsignal, zum Beispiel "Hey!"
  • Nähert Euch mit der Hand der Schulter Eures Hund, fasst aber noch nicht ins Geschirr.
  • Belohnt ihn mit einem guten Leckerchen.
  • Nehmt die Hand erst dann weg, wenn er das Leckerchen gefressen hat.

Diesen Schritt wiederholt Ihr und nähert die Hand immer weiter ans Geschirr an, bis Ihr ins Geschirr greifen könnt, ohne dass der Hund Abwehr- oder Stresszeichen zeigt.

 

Achtung: Wenn der Hund ausweicht, Stress- oder Übersprungsverhalten zeigt, müsst Ihr kleinschrittiger trainieren. Das heißt: Wieder mehr Abstand zum Hund, Hand nicht so schnell annähern, Belohnung verbessern.

Trainingsschritt 1: Schnelle Annährung der Hand an den Hund bis hin zur Berührung
Trainingsschritt 1: Schnelle Annährung der Hand an den Hund bis hin zur Berührung

Zweiter Trainingsschritt: Griff ins Geschirr aufbauen

Wenn der erste Trainingsschritt gut klappt, könnt Ihr einen Schritt weitergehen. Jetzt greift Ihr ins Geschirr und zieht ein wenig daran. Belohnt wird der Hund nun nicht mehr für den Griff, sondern für das Nachgeben des Gewichtes.

  • Signal geben (zum Beispiel "Hey!")
  • ins Geschirr greifen
  • leicht am Geschirr ziehen
  • Nachgeben des Hundes belohnen
  • Geschirr erst loslassen, nachdem der Hund mit Fressen fertig ist.
Trainingsschritt 2: Griff ins Geschirr und belohnen
Trainingsschritt 2: Griff ins Geschirr und belohnen

Dritter Trainingsschritt: Alternativverhalten abfragen

Da der Geschirrgriff nur ein Notfallsignal ist, wenn der Hund nicht mehr klar denken kann, ist es wichtig, ein Alternativverhalten abzufragen. Dieses Verhalten richtet sich nach der Situation, die wir gerade trainieren. Ein Alternativverhalten kann beispielsweise sein:

  • Gehe hinter mich
  • Handtouch: Stupse meine Hand an (siehe Foto)
  • Setz Dich hin
  • Lege Dich ab
  • Schau mich an

Wichtig ist, dass das Alternativverhalten auch erst einmal in nicht stressigen Situationen zuhause aufgebaut wird und an verschiedenen Orten generalisiert wird. Nur, wenn ein Hund ein Alternativverhalten zuverlässig im Alltag abrufen kann, können wir es auch in stressigen Situationen trainieren.

Vierter Trainingsschritt: Generalisieren

Wenn Ihr problemlos und  unaufgeregt ins Geschirr fassen könnt und Euer Hund in verschiedenen Situationen auch das Alternativverhalten zeigen kann, beginnt Ihr mit der Generalisierung. Das bedeutet, dass Ihr mit Euerm Hund das Gelernte an vielen unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Tageszeiten und unter verschiedenen Bedingungen einübt. Nur dann könnt Ihr sicher sein, dass es später auch wirklich überall klappt.

  • Tageszeiten und Wochentage variieren
  • Zug am Geschirr variieren
  • Körperpositionen variieren
  • Trainingsorte variieren
  • Stimmung und Tonlage variieren

Wichtig

Der Geschirrgriff soll so wenig wie möglich eingesetzt werden. Denn das eigentliche Ziel ist ja, dass Ihr den Hund gar nicht mehr zu sichern braucht, sondern er das Alternativverhalten selbstständig und ohne zusätzliches Eingreifen Eurerseits zeigen kann.

Inhaberin: Isabel Boergen ♥ Hundetrainerin

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