Therapiehunde: Helfer und Hilfsbedürftige?

 

Therapiehunde leisten Beeindruckendes. Sie unterstützen Menschen mit psychischen oder physischen Erkrankungen, bringen Freude in Pflegeeinrichtungen, helfen Kindern beim Lesenlernen oder begleiten therapeutische Sitzungen. Ihre Wirkung auf uns Menschen ist unbestritten – beruhigend, stressreduzierend, motivierend. Doch bei all der Begeisterung gerät ein Aspekt leider viel zu oft in den Hintergrund: Wie geht es dem Hund dabei?

 

Ausbildung zum Therapiehund: Anforderungen und Realität

 

Die Ausbildung eines Therapiehundes ist anspruchsvoll und sollte auf fundierter kynologischer Basis erfolgen. Gute Ausbildungsstellen legen Wert auf:

  • eine sorgfältige Wesenseinschätzung,

  • einen stabilen Grundgehorsam,

  • eine hohe Frustrationstoleranz,

  • sowie eine enge, vertrauensvolle Bindung zur Bezugsperson.

Doch nicht jede Einrichtung arbeitet mit solchen Standards. Es gibt leider keine einheitliche, gesetzlich geregelte Ausbildung oder Prüfung zum Therapiehund in Deutschland. Das führt dazu, dass die Qualität stark schwankt – mit direkten Folgen für das Tier.

 

Nicht jeder Hund ist geeignet – und das ist okay

 

Ein häufiger Irrtum: Man könne jeden netten, menschenfreundlichen Hund „zum Therapiehund machen“. Tatsächlich ist die Eignung sehr individuell. Neben gesundheitlichen Voraussetzungen müssen Hunde belastbar gegenüber Stress, Körperkontakt, fremden Gerüchen, plötzlichen Bewegungen und lauten Geräuschen sein. Sie müssen in der Lage sein, feine emotionale Nuancen wahrzunehmen – ohne selbst aus dem Gleichgewicht zu geraten. Sensibilität ist wichtig – aber sie macht auch verletzlich.

Was oft übersehen wird: Die Fähigkeit zur Emotionsübertragung, die Hunde zu so empathischen Begleitern macht, birgt gleichzeitig ein großes Risiko. Wenn ein Hund in einer belasteten Umgebung arbeitet, übernimmt er unter Umständen emotionale Spannungen, Ängste oder depressive Stimmungen – ohne sie selbst regulieren zu können.

 

Emotionsübertragung und psychische Belastung

 

Hunde sind Meister der feinen Kommunikation. Sie lesen Körpersprache, Stimme, Mimik – und sie reagieren darauf. In einem therapeutischen Setting ist das gewünscht. Aber: Wenn der Mensch leidet, leidet der Hund mit.

Viele Therapiehunde sind regelmäßig mit emotionalen Ausnahmesituationen konfrontiert. Wenn diese Erfahrungen nicht sorgfältig aufgearbeitet werden, kann das langfristig zu Stresssymptomen, Überforderung, Rückzug oder sogar Verhaltensauffälligkeiten führen.

Hinzu kommt: Es fehlt an Supervision – für den Hund. Während Fachpersonal in psychosozialen Berufen in der Regel selbst durch Supervision begleitet wird, bleibt der tierische Kollege häufig sich selbst überlassen. Pausen, Rückzugsmöglichkeiten und ein aufmerksamer Blick auf die Körpersprache des Hundes sind in vielen Fällen nicht ausreichend sichergestellt.

 

Bedingungsloser Einsatz? Nein, danke.

 

Wer mit Hunden in therapeutischen Kontexten arbeitet, trägt eine doppelte Verantwortung: gegenüber den Klientinnen und Klienten – und gegenüber dem Hund. Therapiehund-Arbeit darf kein emotionaler Raubbau sein. Das bedeutet:

  • regelmäßige Pausen einplanen,

  • Trainings- und Einsatzzeiten dem individuellen Hund anpassen,

  • einen guten Ausgleich durch spielerische Beschäftigung und freien Kontakt zu Artgenossen schaffen,

  • die Signale des Hundes ernst nehmen und nicht „wegarbeiten“.

 

Zwischen Ideal und Wirklichkeit

 

Therapiehunde können Brücken bauen – zwischen Menschen, zwischen Emotionen, zwischen Welten. Doch damit sie ihre Aufgabe wirklich langfristig erfüllen können, brauchen sie etwas ganz Grundlegendes: Respekt für ihre Bedürfnisse.

Nicht jeder Hund will oder kann diese Rolle übernehmen. Und das sollte genauso selbstverständlich sein wie das Recht eines Menschen, nicht therapeutisch zu arbeiten. Eine gute Ausbildung, engmaschige Begleitung und vor allem ein feines Gespür für Belastungsgrenzen sind unerlässlich.

Denn Hilfe, die auf Kosten des Helfenden geht, ist keine Hilfe – sondern Ausbeutung.

Inhaberin: Isabel Boergen ♥ Hundetrainerin

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